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Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger und Auszubildender von bestimmten Sozialleistungen unzulässig

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Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland nicht erwerbstätig sein dürfen, sind von bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen. Gleiches gilt für Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAFöG) förderungsfähig ist. Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des Ersten Senats zwei Vorlagen eines Sozialgerichts zurückgewiesen, das diese Regelungen mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für unvereinbar hielt. Das vorlegende Gericht hatte nicht erschöpfend dargelegt, dass die vorgelegten Normen in den jeweiligen Verfahren entscheidungserheblich seien, und sich insbesondere nicht mit der Möglichkeit befasst, sie verfassungskonform auszulegen.

Sachverhalt:

  1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sind hilfebedürftige Erwerbsfähige, die das 15. Lebensjahr vollendet, das Rentenalter noch nicht erreicht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, berechtigt, Leistungen zur Sicherung ihrer menschenwürdigen Existenz zu erhalten. Dies ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit, aber abhängig von ihrer Erwerbsfähigkeit und damit auch davon, ob die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden kann. Ist eine Erwerbstätigkeit nach dem Aufenthaltsrecht nicht zulässig, sind auch Ansprüche auf die Leistungen ausgeschlossen.
  2. Nach § 7 Abs. 5 SGB II erfasst der Leistungsausschluss hilfebedürftige erwerbsfähige Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, die das 15. Lebensjahr vollendet und das Rentenalter noch nicht erreicht haben und eine nach BAFöG förderungsfähige Ausbildung machen. Dabei kommt es nur darauf an, ob die Ausbildung ihrer Art nach gefördert werden könnte, nicht aber, ob sie tatsächlich gefördert wird.
  3. Im Ausgangsverfahren zu 1 BvL 4/16 klagte eine Familie auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. November 2015. Sie sind usbekische Staatsangehörige und leben seit mehreren Jahren in Deutschland. Der Vater hat erfolgreich ein Studium abgeschlossen, mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), und war neben und nach dem Studium erwerbstätig. Danach hatte er eine bis Mai 2017 befristete Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche nach dem Studium, die ihm auch eine Erwerbstätigkeit gestattet. Die Mutter hatte eine befristete Aufenthaltserlaubnis wegen Ehegattennachzugs. Die gemeinsame Tochter besitzt eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund ihrer Geburt im Bundesgebiet. Die Familie erhob Klage, weil das Jobcenter die beantragten Leistungen abgelehnt hatte.
  4. Die Klägerin im Ausgangsverfahren zu 1 BvL 6/16 macht einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II geltend. Sie ist iranische Staatsangehörige, hat eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, und lebt mit ihrem Ehemann, ebenfalls Iraner mit Niederlassungserlaubnis, in einer gemeinsamen Mietwohnung. In der Vergangenheit bezogen sie teilweise ergänzend zum Erwerbseinkommen auch Arbeitslosengeld II. Die Klägerin erhielt einen nicht vergüteten Ausbildungsplatz zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin und beantragte weiter Arbeitslosengeld II. Ihr Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe wurde abgelehnt, da eine schulische Ausbildung nach § 57 Abs. 1 SGB III nicht förderungsfähig sei. Der Antrag auf Arbeitslosengeld II wurde nach § 7 Abs. 5 und 6 SGB II abgelehnt, weil ihre Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei. Der Antrag auf Ausbildungsförderung wurde abgelehnt, da sie bei Beginn bereits das 30. Lebensjahr vollendet hatte. Darauf sah sie sich gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen, und erhob Klage zum Sozialgericht.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Vorlagen genügen nicht den Begründungsanforderungen aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.

  1. Das Sozialgericht hat im Verfahren 1 BvL 4/16 zwar seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Leistungsausschlüsse dargelegt und Literatur und Rechtsprechung berücksichtigt. Doch übergeht die Vorlage mehrere Fragen zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Normen, die für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar sind und ohne deren Klärung das Bundesverfassungsgericht nicht entscheiden kann. Dargelegt wurde, dass die Eltern erwerbsfähig sind, da beide aufenthaltsrechtlich eine Beschäftigung aufnehmen durften. Ungeklärt ist jedoch, wie sich der Umstand auswirkt, dass die Aufenthaltserlaubnis erst kurz vor Antragstellung verlängert wurde und dafür gegenüber der Ausländerbehörde angegeben werden muss, über Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu verfügen. Dies gehört nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Danach müssen eigene Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs zur Verfügung stehen, der nach den §§ 13, 13a Abs. 1 BAföG bestimmt wird. Verfügen die Kläger jedoch über solche Mittel, wirkt sich dies auf ihre Hilfebedürftigkeit aus. Es ist dann auch entscheidungserheblich.

Darüber hinaus ist nicht hinreichend dargelegt, ob die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Ausgangsfall entscheidungserheblich ist. Fände die insoweit relevante Rechtsprechung des Bundesozialgerichts Anwendung, wonach die Ausschlussregelungen verfassungskonform auszulegen sind, läge es zumindest nahe, dass die Kläger einen Anspruch auf Leistungen hätten. Soweit das vorlegende Gericht die verfassungskonforme Auslegung ablehnt, weil damit kein gesetzlicher Anspruch begründet werde, legt es nicht hinreichend dar, warum eine Leistung, die im Ermessen steht, nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot genügt, die menschenwürdige Existenz im Wege gesetzlicher Ansprüche zu sichern, obwohl sich das Ermessen auf Null reduzieren kann und dann zum unmittelbaren Anspruch auf Leistung wird.

Schließlich fehlen weitere fachrechtliche Darlegungen. So kann aus dem Vorlagebeschluss nicht entnommen werden, welchen aktuellen Aufenthaltsstatus die Kläger haben.

  1. Auch die Vorlage im Verfahren 1 BvL 6/16 ist unzulässig, weil die Darlegungen den Anforderungen nur teilweise genügen.
  2. a) Das Sozialgericht hat die Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG begründet. Es sei nicht ersichtlich, warum Personen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zustehen solle, weil sie eine Ausbildung oder ein Studium ohne Förderung absolvierten. Es hat seine Überzeugung der Verfassungswidrigkeit im Ausgangspunkt auch hinreichend dargelegt. Doch fehlen weitere für die verfassungsrechtliche Prüfung zentrale Darlegungen.

Es fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, die Regelung zum Leistungsausschluss verfassungskonform auszulegen. Soweit das vorlegende Gericht argumentiert, die Vorschrift sei unbestimmt, fehlt eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu unbestimmten Rechtsbegriffen. Diese wurden im Rahmen der Arbeitslosenhilfe nicht beanstandet und müssen nach ständiger Rechtsprechung auch nur so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, solange die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Was daraus vorliegend folgt, erschließt sich aus der Vorlage nicht.

Desgleichen fehlen Darlegungen zur Anwendung der damaligen Härtefallvorschrift des § 27 Abs. 4 SGB II. Insoweit wäre die Frage zu beantworten, was daraus folgt, wenn die vom vorlegenden Gericht geforderte Zuschussregelung die Betroffenen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch besserstellen würde als diejenigen, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes Leistungen lediglich als Darlehen erhalten.

  1. b) Die Vorlage genügt den verfassungsprozessualen Darlegungsanforderungen zudem nicht, weil entscheidungserhebliche Fragen nicht thematisiert werden, deren Beantwortung in diesem konkreten Fall für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar ist.

Grundsätzlich ist ein Gericht im Rahmen einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG allerdings nur gehalten, das Fachrecht aufzuarbeiten, über das es auch selbst zu entscheiden hat. Richten sich die Bedenken jedoch gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, müssen die weiteren mit ihr im Zusammenhang stehenden Bestimmungen einbezogen werden, soweit dies zum Verständnis der zur Prüfung gestellten Norm oder zur Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit erforderlich ist. Die hier vorgelegte Regelung zum Leistungsausschluss in einem System der sozialen Sicherung normiert das Verhältnis zweier Leistungssysteme zueinander, der Grundsicherung und des BAFöG. Beide sind untrennbar verzahnt. Mit dem Ausbildungsförderungsrecht befasst sich das vorlegende Gericht aber nicht.

Zudem ist nicht geklärt, ob im konkreten Fall der aus § 14 SGB I folgende Beratungsanspruch verletzt sein könnte und daher ein Anspruch aus Amtshaftung oder als sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Betracht kommt. Das würde sich auf die Entscheidung des Ausgangsverfahrens auswirken. Hier erschließt sich aus dem fachgerichtlichen Verfahren nicht, inwiefern der Leistungsträger, der von der Entscheidung der Klägerin des Ausgangsverfahrens wusste, eine Ausbildung aufzunehmen, diese dazu aufgefordert hat. Ungeklärt ist auch, ob die Klägerin vom Träger darüber informiert worden ist, dass dann kein Leistungsanspruch mehr bestünde. Unklar bleibt schließlich, welche Rolle es hier wie auch in der Auslegung der Härtefallregelung spielt, dass die Klägerin mit Aufnahme der Ausbildung eine typische Mitwirkungsanforderung erfüllt, die im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch gestellt wird.

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